Bildanalyse
Die Thoraxaufnahme in der seitlichen Projektion zeigt dorsal basal in Projektion auf die untere Brustwirbelsäule („dense vertebra sign“) eine solitäre, den Recessus phrenicocostalis obliterierende, weichteildichte Raumforderung, homogen ohne Pneumobronchogramm, mit nach kranial konvexbogiger, scharfer und lobulierter Abgrenzung gegenüber der Lunge, mit unvollständiger dorsaler und kaudaler Abbildung („incomplete border sign“), fehlender Abgrenzung der anliegenden Thoraxwand, Auslöschung der Zwerchfellkontur links dorsal („Sihouetten-Zeichen“) und einer rechten Winkelbildung mit dem Zwerchfell (,„thorako-abdominales Zeichen“). In der p.a. Projektion bildet die extrapulmonale extrapleurale Expansion paravertebral links entlang der dorsalen kaudalen Thoraxwand zentriert eine Zwerchfelldoppelkontur und einen Kernschatten.
Differentialdiagnosen
Zur segmentalen oder lokalisierten konvexbogigen Vorwölbung der Zwerchfellkontur („Zwerchfellbuckel) gehören folgende Differentialdiagnosen:
- supradiaphragmal
- pulmonal (Atelektase, Infiltrat der benachbarten Lunge, pulmonale Sequestration, zwerchfellnahe Raumforderungen (benigne, maligne)
- pleural (gekammerter Erguss, Pleuramesotheliom, solitärer fibröser Tumor
- mediastinal (Corpus adiposum, Perikardzyste, Aortenaneurysma, Lymphknoten, Neoplasien
- diaphragmal
- physiologische Varianten (lokale Relaxatio diaphragmatica, Scalloping)
- Hernien (Bochdalek, Morgagni, Prolaps nach Zwerchfellruptur)
- Zysten (Echinococcus cysticus, Pankreaspseudozyste, Mesothelzyste, bronchogene Zyste, zystisches Teratom)
- primäre Neoplasien
- benigne (Lipom, Angio-, Neuro-, Leiomyofibrom, Fibromyom, Lymphangiom, Hämangiom, Chondrom, Teratom)
- maligne (Fibro-, Rhabdomyo-, Fibromyo-, Leiomyo-, myoblastisches, endotheliales Sarkom)
- infradiaphragmal
- Abszess (subphrenisch, hepatisch)
- benigne und maligne fokale Raumforderungen der Leber, Milz, Niere, Nebenniere
Diagnose
Linksseitige isolierte kongenitale posterolaterale Zwerchfellhernie (Bochdalek-Hernie) beim Erwachsenen ( im CT bestätigt mit prolabiertem retroperitonealem Fettgewebe)
Topiks
Als Zwerchfellhernie bezeichnet man die vollständige Verlagerung oder Teilverlagerung von Bauchorganen in die Brusthöhle durch eine angeborene oder erworbene Lücke im Zwerchfell oder eine muskulöse Schwachstelle, die sich an typischen Stellen kongenital oder im späteren Leben – begünstigt durch den negativen intrathorakalen Druck sowie physiologische intraabdominale Druckschwankungen - zur diaphragmalen Bruchpforte öffnet.
Bei der Bochdalek-Hernie, der häufigsten angeborenen Zwerchfellhernie (> 90%), prolabieren intraabdominale Anteile wie retroperitoneales und omentales Fettgewebe oder seltener Magen-Darm-Anteile und solide Eingeweide durch das dorsolaterale offene Trigonum lumbocostale in den Hemithorax. Der zugrundeliegende Zwerchfelldefekt zwischen der Pars lumbalis und Pars costalis diaphragmatis, dessen Ausmass der entscheidende Faktor für Morbidität und das Überleben ist, entsteht wahrscheinlich durch den ausbleibenden Verschluss des Ductus pleuroperitonealis infolge einer Hemmungsfehlbildung der pleuroperitonealen Falte oder resultiert aus einer fehlerhaften oder verzögerten Fusion von pleuroperitonealer Falte, Septum transversum und interkostaler Muskulatur während der Zwerchfellgenese um die 8.-10. Gestationswoche; als Auslöser werden neben genetischen, hormonellen und umweltbedingten Faktoren, toxischen und teratogenen Schäden oder Vitamin-A-Mangel eine vorausgehende Störung der ipsilateralen Lungenentwicklung diskutiert. Häufig liegt eine ipsi- und gelegentlich bilaterale Lungenhypoplasie vor und eine pulmonal arterielle Hypertonie. Da sich das Zwerchfell in der Entwicklungsphase auf der rechten Seite zuerst verschließt und der Leber eine protektive Funktion zugeschrieben wird, treten Bochdalek-Hernien vorrangig linksseitig (>80%) auf, seltener rechtsseitig. Auch bilaterale und oft symmetrische angeborene dorsale Zwerchfellhernien kommen vor (2-5%). Eine Ausnahme ist das Auftreten von Hernien durch multiple kongentiale Defekte auf ein und derselben Zwerchfellseite. Die Inzidenz der Bochdalek-Hernien wird mit 1,7 – 5,7 pro 10.000 Geburten angegeben, in der CT-Literatur eine Prävalenz von 6%. Das männliche Geschlecht wird bevorzugt. Klassifiziert werden Bochdalek-Hernien nach der Grösse (klein / gross) und nach dem Typ (isoliert / nicht-isoliert komplex); nicht-isoliert komplexe Bochdalek-Hernien (40%) sind assoziiert mit strukturellen Anomalien des ZNS, GI-Trakts, des Herz- und Kreislaufsystems oder des Urogenitaltrakts, genetischen Syndromen und chromosomalen Aberrationen. Neugeborene mit kleiner und isolierter Zwerchfellhernie weisen eine deutlich höhere Überlebensrate auf als solche mit grosser Hernie und assoziierten genetischen oder strukturellen Malformationen. Die Mortalität der Lebendgeborenen wird mit 10-35% angegeben.
In Ländern mit implementiertem Ultraschallscreening werden große Bochdalek-Hernien meist schon pränatal diagnostiziert. Unerkannt verursachen sie postnatal oft lebensbedrohliche respiratorische, kardiale und gastrointestinale Probleme. Anders verhält es sich mit den bei Erwachsenen vorkommenden, meist asymptomatischen und in der Mehrzahl lediglich retroperitoneales Fett oder den Nierenoberpol enthaltenden kleinen Bochdalek-Hernien. Bei der seltenen symptomatischen Bochdalek-Hernie des Erwachsenen können je nach Größe der Bruchlücke und Qualität des diaphrenischen Prolapses (linksseitige Vorfälle können v.a. Kolon, Magen Milz, Dünndarm, Omentum, Pankreas, Niere und Nebenniere enthalten, rechtsseitige Leber, Gallenblase, Niere, Kolon, Omentum) intestinale Einklemmungsbeschwerden (durch Obstruktion, vaskuläre Kompression, Strangulation und Ischämie) oder Dyspnoe und, seltener, Tachykardie durch Kompression und Verlagerung der Brustorgane auftreten.
Peripartal (solange noch keine verschluckte Luft in Magen und Darm ist) imponieren grosse Bochdalek-Hernien im Röntgenbild durch eine weichteildichte homogene Tansparenzverminderung des betroffenen Hemithorax und kontralaterale Mediastinalverlagerung (diagnostische Gedankenstütze = die 4 „B“: Bochdalek, Babies, Back, Big). Das ipsilaterale Zwerchfell ist nicht abgrenzbar. Später postpartal können, falls auch Anteile des Gastrointestinaltraktes prolabiert sind, intrathorakal gelegene gas-/flüssigkeitshaltige Strukturen sichtbar werden, die eine Kontinuität mit abdominalen Darmgasen zeigen, bei auffällig gasarmem Abdomen. Magensonde und Nabelkatheter können in Richtung Defekt abweichen.
Beim Erwachsenen stellen sich Bochdalek-Hernien, in der Regel meist als Zufallsbefund in der Seitenaufnahme des Thorax, in typischer Lokalisation als basale, posterolateral paravetrebral den Recessus phrenicocostalis obliterierende, nach kranial konvexe glatt begrenzte, dem Zwerchfell kuppelförmig aufsitzende, minderdichte bis weichteildichte Raumforderung dar, homogen, falls nicht auch gashältige Darmschlingen mit oder ohne Spiegelbildungen herniert sind. Im pa Röntgenbild kann sich die Bochdalek-Hernie durch eine Zwerchfelldoppelkontur und einen Kernschatten zeigen. Im Übrigen ist die konventionell-radiologische Diagnose einer Bochdalek-Hernie beim Erwachsenen von der Quantität und Qualität des diaphrenischen Prolapses abhängig. Als weiterführende Abklärungsverfahren zur genauen Lokalisation, korrekten Diagnose und Typisierung, Bestimmung des Hernieninhalts, Nachweis von Komplikationen und Präsenz von assoziierten Anomalien eignen sich Ultraschall, CT und MRT.
Literatur
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