Bildanalyse
Die Thoraxaufnahmen im Stehen zeigen:
- eine erhebliche Elevation des rechten Hemidiaphragma
- ein gasreiches Kolon, zwischen vorderer Thoraxwand und Leber interponiert (Chilaiditi-Zeichen)
- ein linksventrikulär dilatiertes Herz mit Linksverbreiterung (Herz-Thorax-Quotient = 0,55)
- eine konvexbogig nach links lateral und kaudal gerichteteten sichelförmige Verkalkung in Projektion auf die Herzspitze
- eine normale Lungendurchblutung.
- eine verkalkende Aortensklerose.
Differentialdiagnose
Verschiedene Anteile des Herzens können verkalken, darunter
- das Perikard
- nach Pericarditis: Tuberkulose, rheumatisches Fieber, infektiös (bakteriell, viral),
- Uraemie
- posttraumatisch, postoperativ, nach Strahlentherapie
- idiopathisch
- das Myokard
- alter Myokardinfarkt
- chronisches Aneurysma verum/spurium des linken Ventrikels
- Myokardschädigung aufgrund von Trauma, Myokarditis (Chagas-Krankheit; Lues),
- rheumatischem Fieber, Hyperparathyroidismus
- Echinokkokuszyste
- das Endokard
- die Herzklappen und Klappenringe
- Endokardfibrose
- Wand des linken Vorhofs und/oder des linken Herzohrs (nach rheumatischer Herzerkrankung)
- parietaler Thrombus
- Herztumor (atriales Myxom)
- die Koronararterien
- das kongenitale Sinus coronarius (Valsalva)-Aneurysma
- die Aorta
- der Ductus arteriosus Botalli
Diagnose
Teils verkalktes chronisches Herzwandaneurysma des linken Ventrikels bei Zustand nach Myokardinfarkt vor Jahren.
Topics
Unter einem Herzwandaneurysma versteht man eine pathologische umschriebene Ventrikelerweiterung durch Ausdünnung, Dilatation und Ausstülpung von Teilen der Herzwand mit fokalen atypischen Pulsationen d.h. Akinesie (fehlende Einwärtsbewegung der Herzwand während der Systole) oder Dyskinesie (abnorme, während der Systole nach ventrikelauswärts gerichteter Wandbewegung). Man unterscheidet das Aneurysma verum mit regionaler Ausbuchtung aller 3 Wandschichten des Herzens und weiter Verbindung mit dem Ventrikellumen (breites Orificium) vom Aneurysma spurium, das eigentlich eine gedeckte Perforation aller Wandschichten ist nach Schuss- und Stichverletzung, selten nach einem Myokardinfarkt, mit Abdichtung des perimyokardialen Hämatoms durch Perikard oder umgebendes Gewebe und schmaler Verbindung mit der Ventrikelhöhle.
Am häufigsten treten Herzwandaneurysmen als Komplikation nach einem grossen, transmuralen Myokardinfarkt (90-95%) auf, bes. bei Patienten mit Mehrgefässerkrankungen und ungenügender Kollateralisierung und arterieller Hypertonie. Dabei sind Männer viermal häufiger betroffen als Frauen. Die Inzidenz eines linksventrikulären Aneurysmas nach einem nicht tödlich verlaufenden Myokardinfarkt wird mit einer Häufigkeit von 3-15% beziffert. Akut auftretende Herzwandaneurysmen bilden sich innerhalb der ersten 14 Tage nach einem Myokardinfarkt, entstehen unter dem mechanischen Druck durch Ausdünnung und Gefügedilatation der Ventrikelwand im nekrotischen Infarktareal (Infarkt-Expansion), noch vor Beginn eines narbigen Umbaus. Beim chronischen Herzwandaneurysma entsteht die Auswölbung im Bereich der bindegewebig durchwachsenen, nichtkontraktilen und geringer elastischen Infarktnarbe. Bevorzugte Lokalisationen sind der Herzspitzenbereich / ventrales interventrikuläres Septum / Vorderwand des linken Ventrikels (85%; nach prox. Verschluss des Ramus interventricularis ant.), nächstdem die Herzbasis / Hinterwand des linken Ventrikels / dorsales Septum (10%; nach Verschluss der rechten Koronararterie) und Seitenwand (5%; nach Verschluss des Ramus circumflexus).
Andere, nicht infarktbedingte Herzwandaneurysmen sind traumatisch bedingt (nach kardialen Verletzungen rechnet man in etwa 3-5% der Fälle mit einem wahren oder falschen ventrikulären Aneurysma) oder Folge einer infektiösen (Chagas-Kardiomyopathie) oder einer chronisch entzündlichen Erkrankung (Sarkoidose). Weitere sehr seltene Ursachen sind das iatrogene postoperative Aneurysma, die idiopathische dilatative Kardiomyopathie und kongenitale Herzwand-Aneurysmen (bei Vorliegen einer idiopathischen endomyokardialen Dysplasie).
Komplikationen eines Herzwandaneurysma umfassen Thromboembolien (in 5-10%; am häufigsten ca. 6-8 Wochen nach einem Myokardinfarkt zu beobachten) bei intrakavitären Abscheidungsthromben, die in ca. einem Drittel der Aneursymen beobachtet werden; Herzinsuffizienz bei linksventrikulärer Dilatation mit verminderter Ejektionsfraktion; refraktäre Tachy-Arrhythmien (in ca. 12,3%); und eine Ruptur. Das Auftreten einer Herzwandruptur ist beim Pseudoaneurysma häufiger als beim Aneurysma verum und in einem frühen Stadium der Aneurysmaentwicklung eher wahrscheinlich als in späteren Stadien. Insgesamt ist eine Ruptur eines wahren Herzaneurysma aufgrund seiner narbig fibrotischen Beschaffenheit sehr selten. Tritt diese Situation ein, so folgt zumeist eine tödlich verlaufende Herzbeuteltamponade.
Die konventionelle Röntgenuntersuchung erfaßt in der Regel nur in wenigen Fällen (<20%) ein Herzwandaneurysma. Das Thorax-Röntgenbild zeigt dann, in Abhängigkeit von Grösse, Lokalisation, Ausdehnung und dystrophen Verkalkungen eine Dekonfiguration („Kastenform“) des Herzens und regionale Deformierung der ventrikulären Kontur, d.h. konvexbogige Vorwölbung des linken Ventrikels, oder lässt eine rundliche Verdichtung (weichteildichter Kernschatten) in Projektion auf den linken Ventrikel erkennen, oder eine Doppelkontur. Kalzifikationen können im Bereich der bindegewebig durchwachsenen, nicht-kontraktilen Infarktnarbe als feine schalenförmige Verkalkungen zu sehen sein oder im wandanhaftenden Thrombus. Als Goldstandart in der kardialen Bildgebung haben sich neben der Echokardiographie vor allem aber kardiovaskuläre MRT und CT etabliert. Nicht-invasiv lassen sich die Diagnose sichern und wichtige Rückschlüsse auf Lage, Art und Ausdehnung des Aneurysma, Wandbeschaffenheit, Grösse der Kommunikationsöffnung (und damit die Unterscheidung zwischen echtem und falschem Aneurysma) gewinnen, Geometrie, Wandbeschaffenheit und Funktionalität des linken Ventrikels erheben. Ausmass und funktionelle Auswirkungen eines derartigen Herzwandaneurysmas quantitativ bestimmen, Ausmass an funktionellem Restmyokard erkennen, und die Frage einer Thrombenbildung im Aneurysma klären.
LITERATUR
Hohenner, K.: Das Röntgenbild der verkalkten Myokardschwiele (Herzwandaneurysma). Fortschr Röntgenstr 1951; 74 (6): 680-689.
Kittredge, R.D., Gamboa, B., Kemp, H.G.: Radiographic visualization of left ventricular aneurysms on lateral chest film. AJR 1976; 126: 1140-1146.
MacGregor, J.H., Chen, J.T.T., Chiles, C., Kier, R., Godwin, J.D., Ravin, C.E.: The radiographic distinction between pericardial and myocardial calcifications. AJR 1987; 148:675-677.
Shawdon, H.H., Dinsmore, R.E.: Pericardial calcification: Radiological features and clinical significance in twenty-six patients. Clin Radiol 1967; 18:205-214.
Simon, K.: Verkalkendes Herzwandaneurysma. Fortschr Röntgenstr 1972; 116 (3):420-421.
Vogt, A.: Traumatisches Herzwandaneurysma, verkalktes Herzwandaneurysma. Fortschritte Röntgenstr. 1957; 86 $): 439-447.