Bildanalyse
Die Thoraxaufnahmen im Stehen zeigen:
- das Fehlen der rechten Mamma;
- multiple fleckig ausgebildete Skleroseherde, polyostotisch und multifokal im Bereich der Wirbelsäule, Rippen und Schultergürtel bds.;
- einen normalen Stand und Form des rechten Hemidiaphragmas;
- eine weichteildichte Obliteration des rechten dorsalen kostophrenischen Winkels und eine positionsabhängige Niveaubildung (Gas-Flüsigkeits-„Spiegel“) dorsobasal rechts;
- eine fehlende Lungengefässzeichnung und erhöhte Strahlentransparenz peripher einer parallel zur rechten Thoraxwand apikal, lateral, retrosternal und dorsobasal leicht bogig verlaufenden, feinen, dünnen, glattkonturierten, weichteildichten Linie;
- eine homogene weichteildichte Transparenzminderung links basal mit mehr oder weniger scharfer konkaver Begrenzung zur Lunge und meniskusartiger Konfiguration in beiden Projektionen, mit Auslöschung der Zwerchfellkontur und Obliteration der kostophrenischen Winkel, und mit erweitertem Abstand zwischen gashaltigem Magenfundus und Lunge;
- Lungenbelüftungsstörungen basal bds.;
- ein mittelständiges Mediastinum und ein normales Herz;
- ein linksseitiges Port-a-Cath System, Katheterspitze in Projektion auf die V.cava sup.
Diagnose
Seropneumothorax rechts (iatrogen?) ohne Zeichen eines drohenden Spannungspneumothorax. Moderater freier Pleuraerguss links. St. nach Mastektomie rechts wegen Mamma-Karzinom. Disseminierte osteoplastische Skelettmetastasierung. Korrekte Katheterposition nach Port-a-Cath Implantation.
Differentialdiagnose
Die radiologische Differentialdiagnose eines Pneumothorax umfasst
- mitabgebildete gefaltete Bettwäsche, Kleidungsstücke;
- externe Elektroden, Drainagen, Katheter, Sonden;
- Weichteilkonturen: z.B. durch Hautfalten, Mamma, M. sternocleidomastoideus, Claviculabegleitschatten, Rippenbegleitschatten, M. pectoralis, vordere und hintere Achselfalte;
- Scapula;
- verkalkte Pleuraplaques;
- Nahtmaterial nach Pleurektomie,
- Bulla, Pneumatozele;
- Gas in abnormer Lokalisation: Pneumomediastinum, Pneumoperikard;
- Überlagerung von gashaltigen Magen- oder Darmstrukturen auf die Lunge.
Topics
Als Pneumothorax bezeichnet man das Eindringen und die pathologische Ansammlung von Gas oder Luft im kapillaren, mit seröser Flüssigkeit ausgefüllten Spalt der Pleurahöhle, also im Raum zwischen der von der Pleura visceralis überzogenen Lunge und der durch die Pleura parietalis ausgekleideten Thoraxwand. Gelangt Gas/Luft durch die Thoraxwand, durch das Mediastinum, Zwerchfell oder - am häufigsten - aus der Lunge, d.h. durch ein Leck in der Pleura parietalis und/oder visceralis in den Pleuraspalt, steigt der interpleurale Druck, werden die physikalischen Adhäsionskräfte aufgehoben, und führen die elastischen Rückstellkräfte («elastic recoil») der Lunge zu einem teilweisen oder vollständigen passiven Kollaps, mit oft eingeschränkter Atemfunktion (restriktiven Ventilationsstörung). Als Fluidopneumothorax bezeichnet man das gleichzeitige Auftreten eines Pneumothorax und eines Pleuraergusses, z.B. beim Sero-, Pyo-, Hämato- oder Chylopneumothorax. Eine besonders schwerwiegende und akut lebensbedrohende Komplikation (bei ca. 3%) ist der sogenannte Spannungspneumothorax, bei dem ein Ventilmechanismus den Pneumothorax mit jedem Atemzug immer weiter verstärkt und zu einem Überdruck in der betroffenen Brusthöhle führt, mit Verschiebung des Mediastinums zur Gegenseite und Behinderung des venösen Rückstroms zum Herzen, sodass ohne notfallmässige Sofortbehandlung eine letale Funktionseinschränkung beider Lungen und des Herz-Kreislaufs resultieren kann.
Der Pneumothorax ist eine relativ häufige Erkrankung. Er kann spontan auftreten oder aus einer Thoraxverletzung (traumatischer Pneumothorax nach penetrierender oder stumpfer Gewalteinwirkung) oder einem medizinischen Eingriff (iatrogener Pneumothorax) resultieren. Der primäre Spontanpneumothorax tritt bei Patienten ohne erkennbaren Auslöser und ohne zugrunde liegende Lungenerkrankung auf, betrifft in erster Linie junge schlanke grossgewachsene Erwachsene (M:F=7:1) zwischen 15 und 35 Jahren, oft in Ruhe, nach vermuteter Ruptur apikaler subpluraler Plebs. Über 90 Prozent der Betroffenen sind Zigarettenraucher. Assoziationen mit einem Marfan Syndrom, Ehlers-Danlos Syndrom, Alpha-1-Antitrypsin Mangel, und Homozystinurie sind bekannt. Die Häufigkeit von Erkrankungsfällen beträgt bei Männern 18-28/100.000, bei Frauen 1,2-6/100.000 Einwohner im Jahr, die Rezidirate ist hoch (30%). Ein sekundärer Spontanpneumothorax ist Folge einer vorbestehenden Lungenerkankung und betrifft vor allem ältere Personen (Altersgipfel bei 55-65 Jahre). In etwa 70% der Fälle liegt eine schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung vor. Weitere Ursachen sind akutes schweres Asthma, Mukoviszidose, Lungeninfektionen (nekrotisierende Pneumonien, Tuberkulose, HIV-assoziierter Pneumocystis jirovecii-Infektion), interstitielle Lungenerkrankungen (Idiopathische Lungenfibrose, Sarkoidose, Langerhans-Zell-Histiozytose, Lymphangioleiomyomatose, Tuberöse Sklerose), Autoimmunerkrankungen (Rheumatoide Arthritis, Dermatomyositis, Polymyositis), Lungenneoplasien (Bronchukarzinom, Lungenmetastasen (Osteo-sarkom, Pankreas-, Nebennierenkarzinom, Wilmstumor)) und die thorakale Endometriose (katamenialer Pneumothorax). Die Häufigkeit des sekundären Spontanpneumothorax ist im Vergleich zum primären etwas geringer (Männer 6 /100.000, Frauen 2/100.000 Einwohner im Jahr), die Prognose schlechter.
Die Diagnose Pneumothorax wird radiologisch gesichert, außer beim Spannungspneu-mothorax, bei dem die klinische Diagnose und rechtzeitige Therapie wegen der Notfallsituation der radiologischen Abklärung vorausgehen muss. Die radiologischen Befunde eines Pneumothorax ergeben sich aus der Menge des Gases im Pleuraraum und der Verteilung, in Abhängigkeit von der Position des Patienten, der Schwerkraft, von der Retraktionskraft der Lunge, der Anatomie der pleuralen Recessus, und davon, ob ein freier oder gekammerter Pneumothorax besteht.
Radiologische Zeichen des Pneumothorax beim stehenden Patienten sind:
- die sog. „Pneulinie“, eine weichteildichte, dünne, scharf konturierte, parallel und bogig zur Thoraxwand verlaufend Linie, die durch die, von der Thoraxwand distanzierte, tangential von Röntgenstrahlen getroffene Pleura visceralis der kollabierten Lunge im p.a.-Bild apikal oder apikolateral , auf der seitlichen Aufnahme retrosternal und dorsal hervorgerufen wird;
- fehlende Lungengefässe peripher der „Pneulinie“. Die Gefässzeichnung der kollabierten Lunge lässt sich nicht, wie gewohnt, überall bis in die Peripherie verfolgen, sondern endet an der „Pneulinie“;
- ein Transparenzsprung zwischen der Luft im Pleuraraum und der lufthaltigen Lunge, wobei das Lungenparenchym infolge Kollaps und Lungenstrukturen von geringerer Strahlentransparenz ist;
- eine glattbegrenzte Kante, wenn bei Konsolidation oder Atelektase die luftleere Lunge an den Pneumothorax reicht und die„Pneulinie“ durch das Silhouettenphänomen obliteriert;
- ein kleiner Begleiterguss, der beim Pneumothorax häufig ist, mit einem horizontalen Luft-Flüssigkeitsspiegel.
- Ein Spitzenpneumothorax wird gelegentlich auf dem Röntgenbild übersehen. In Grenzfällen ist sein radiologischer Nachweis manchmal besser auf der Exspirationsaufnahme oder beim liegenden Patienten auf der Aufnahme in Seitenlage im horizontalen Strahlengang mit der verdächtigen Seite oben zu erbringen. Im Zweifelsfall ist die CT indiziert, mit der sich auch Art und Ausmaß einer zu Grunde liegenden Lungenerkrankung detaillierter darstellen lassen.
- Beim liegenden Patienten verteilt sich das freie interpleurale Gas primär inferior-anterior-medial und kaudal-subpulmonal. Daher sind die oben genannten radiologischen Zeichen des Pneumothorax beim stehenden Patienten nur bedingt anwendbar. Radiologisch kann eine vermehrte Strahlentransparenz des ipsilateralen Oberbauchquadranten bestehen, ein tief einsehbarer, hypertransparenter lateraler kostophrenischer Winkel („deep sulcus“ Zeichen), ein hypertransparenter anteriorer kardiophrenischer Sulcus, eine auffallend scharfe mediale Diaphragma- und Mediastinal- bzw. Herzkontur, eine Visualisation der Unterfläche der kollabierten Lunge oberhalb des Diaphragmas, und eine gleichzeitige Abbildung der Zwerchfellkuppe und des Hemidiaphragmaansatzes im anterioren kostophrenischen Sulcus („double diaphragm“ Zeichen). In bis 50% bleibt aber ein Pneumothorax auf liegenden Röntgenaufnahmen okkult und bedarf einer CT-Abklärung. Ein Spannungspneumothorax lässt sich radiologisch dann erkennen, wenn bei einem Pneumothorax die ipsilaterale Zwerchfellkuppe nach unten verlagert ist, eine invertierte konkave Kontur aufweist, die Lunge total kollabiert ist und/ oder wenn das Mediastinum komprimiert und zur Gegenseite verlagert ist. Diese klassischen Zeichen können allerdings in einem frühen Stadium der interpleuralen Druckerhöhung, bei Pleuraadhäsionen oder bei einer „steifen“ Lunge (z.B. beim ARDS) fehlen.
Literatur
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