Bildanalyse
Relativ tiefstehende, etwas abgeflachte Zwerchfellkuppen, rechts betont. Bilaterale Obliteration des Sinus phrenicocostalis lateral und dorsal. Grosse Lungenvolumina. Eingeschränkte Abgrenzbarkeit der normalen Lungengefässe in den mittleren und basalen Lungenabschnitten bds. unter rechtsseitiger Bevorzugung durch zahlreiche zystische, wandverdickte, bis 2 cm grosse Formationen mit flüssigem Inhalt und positionsabhängigen Gas-Flüssigkeitsspiegeln im Mittellappen, in der Lingula und in beiden Unterlappen. Hili, Herzgrösse und Herzkonfiguration sind normal.
Differentialdiagnose
Die radiologische Differentialdiagnose multipler, ringschattenförmiger, runder, luzenter Lungenläsionen umfasst unter anderem
- Amyloidose
- Barotrauma/ARDS
- Birt-Hogg-Dubé Syndrom
- Bronchiektasen
- Bullae
- Chronische Coccidioidomykose
- Desquamative interstitielle Pneumonie
- Hereditäre Syndrome (Marfan, Neurofibromatose I, Ehlers-Danlos, Proteus)
- Langerhanszell-Histiozytose
- Laryngotracheobronchiale Papillomatose
- Leichtketten-Ablagerungs-Krankheit
- Lungenfibrose im Endstadium
- Lungenmetastasen (Plattenepithel-, Adenokarzinom, Sarkome)
- Lymphangioleiomyomatose, Tuberöse Sklerose
- Lymphozytäre interstitielle Pneumonie
- Persistierende Pneumatozelen
- Pneumocystis jiroveci Pneumonie
- Subakute hypersensitive Pneumonitis
- Granulomatose mit Polyangitis (M. Wegener)
- Zentrilobuläres Emphysem
- Zystische mesenchymale Hamartome
- Zystische fibrohistiozytische Tumore
Diagnose
Fortgeschrittene zystische Bronchiektasen (Mittellappen, Lingula, Unterlappen bds.)
Topiks
Bronchiektasen sind krankhafte lokalisierte chronische irreversible Erweiterungen des Bronchialbaums. Es kann zwischen angeborenen und erworbenen Bronchiektasen unterschieden werden:
Angeborene Bronchiektasen sind im Allgemeinen selten und können auf Fehlbildungen in der Embryonalzeit (z.B. Wabenlunge) oder angeborenen Erkrankungen mit eingeschränkter mukoziliärer Clearance beruhen. Zu nennen sind zystische Fibrose, selektiver IgA-Mangel, Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, Kartagener-Syndrom.
Erworbene Bronchiektasen sind häufiger anzutreffen und entstehen durch eine Schädigung der Bronchialwand. Ursache sind rezidivierende nekrotisierende Infektionen und Entzündungen der Atemwege (Pneumonie, Bronchitis, Asthma bronchiale), die häufig bereits in der Kindheit irreversible Schädigungen der Bronchien verursachen. Auch können sie assoziiert sein mit chronischer Aspiration und Inhalation von giftigen Dämpfen. Weitere Ursachen für erworbene Bronchiektasen sind durch Fremdkörper, Tumoren und Vernarbungen entstehende Stenosen des Bronchialsystems, die mit der Zeit durch Überblähung vorgeschalteter Bezirke, zu Wanddefekten und Ausweitung führen.
Pathogenetisch ist stets eine Infektion von Bedeutung, aufgepfropft auf kongenitale strukturelle Defekte, im Rahmen einer kongenitalen oder erworbenen Abwehrschwäche oder als Komplikation verschiedener primärer Lungenerkrankungen. Stets sind bronchoziliäre Funktion und lokale Abwehrmechanismen eingeschränkt, die zu einer verschlechterten Sekretclearance führen und zu Infektionen und chronischen Entzündungen prädisponieren. Infolge von Infektionen, deren häufigste Erreger Haemophilus influenzae (35%), Pseudomonas aeruginosa (31%), Moraxella catarrhalis (20%), Staphylococcus aureus (14%) und Pneumokokken (13%) sind, werden die Atemwege mit einem zähflüssigen Sekret angefüllt, das Entzündungsmediatoren und Erreger enthält. Im Laufe der Zeit führt dies zu Erweiterung, Vernarbung und Destruktion der Bronchien.
Diffuse Bronchiektasen können bei Patienten mit Erbkrankheiten, Immundefekten oder anatomischen Störungen der Atemwege entstehen. Zystische Fibrose ist die häufigste Ursache; seltener liegen andere Erbkrankheiten wie ziliäre Dyskinesie oder ein schwerer α1-Antitrypsin-Mangel zugrunde. Auch Hypogammaglobulinämien und Immundefekte sowie seltene strukturelle Anomalien (z. B. Tracheobronchomegalie [Mounier-Kuhn-Syndrom], Knorpeldysplasie des Bronchialsystems [Williams-Campbell-Syndrom]) können diffuse Bronchiektasen verursachen. Ferner treten sie als seltene Komplikationen häufigerer Bindegewebserkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Sjögren-Syndrom auf.
Fokale Bronchiektasen entstehen auf dem Boden unbehandelter Pneumonien oder durch Obstruktion (z. B. durch endobronchiale Fremdkörper oder Tumoren, durch Kompression der Bronchien von außen oder durch veränderte anatomische Verhältnisse nach Lobektomie). In manchen Fällen lässt sich keine eindeutige Ursache ermitteln.
In 50% ist die Affektion bilateral und unter besonderer Bevorzugung der basalen Unterlappensegmente. In nur 10% ist der Mittellappen oder die Lingula betroffen ohne gleichzeitigen Befall des ipsilateralen Unterlappens. Bronchiektasen in den proximalen Atemwegen und Oberlappen sind typisch für eine allergisch bronchopulmonale Aspergillose. Oberlappenbetonte multiple Rundherde, kleinherdige Verdichtungen und Bronchiektasen können auf eine Infektion mit Mykobakterium-avium-Komplex hinweisen. Bei der zystischen Fibrose sind die Bronchiektasen überwiegend in den Oberlappen apikal und dorsal lokalisiert.
In Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung unterscheidet man nach Reid:
zylindrische (tubuläre) Bronchiektasen, charakterisiert durch eine gleichmässige Dilatation der Bronchien bis weit in die Peripherie,
variköse Bronchiektasen, bei welchen die Dilatation der Bronchien stärker ausgeprägt sind und sich mit Bereichen von lokalisierter Konstriktion perlenschnurartig abwechseln, und
zystische (sackförmige) Bronchiektasen mit zur Peripherie hin zunehmender Dilatation der Bronchien, wodurch zystische Räume mit einem Durchmesser von bis zu einigen Zentimeter entstehen, die oft zu einem Cluster gruppiert sind.
Typische radiologische Befunde, die an Bronchiektasen denken lassen, sind disseminierte, unregelmäßige Verdichtungen, die endobronchialen Schleimpfropfen entsprechen, und ringförmige Veränderungen (“peribronchial Cuffing”) bzw. parallele Doppelkonturen („Straßenbahnschienen“); sie kommen durch verdickte, erweiterte Atemwege zustande, die quer bzw. längs zum Strahlengang liegen. Eine zylindrische Bronchiektase, die an einen begleitenden, viel kleineren Zweig der A.pulmonalis angrenzt, erzeugt das charakteristische “Siegelring”-Zeichen. Zystisch imponierende Bronchiektasen können bei multiplen Vorkommen dem Bild einer sog. “Honigwabenlunge“ ähneln.
Die Thoraxübersichtsaufnahme gestattet aber nur in wenigen Fällen eine eindeutige Diagnose und reicht in der Regel zur Therapieplanung nicht aus. In der Verlaufskontrolle von Komplikationen besitzt sie dagegen einen hohen Stellenwert.
Eine hochauflösende Computertomographie (HRCT) erlaubt eine sichere Diagnose und gibt Aufschluss über Lokalisation, Ausmass, mögliche Ursache der Bronchiektasen und zugrundeliegender Läsionen und Begleitveränderungen. Auf der CT-Aufnahme zeigen sich charakteristischerweise gestaute und zystisch erweiterte Bronchialgefäße (in gelegentlich traubenförmiger Anordnung), diffus verteilte Schleimansammlungen und dilatierte Atemwege, deren Durchmesser mehr als das 1,5fache der benachbarten Blutgefäße beträgt. Mittelgroße erweiterte Bronchien können fast bis zur Pleura reichen. Unspezifische Befunde sind Atelektasen, konsolidiertes Lungenparenchym und Gefäßrarefizierung.
Aufgrund fehlender Strahlenexposition wird zunehmend die MRT anstelle der CT bei Kontrollen eingesetzt.
Literatur
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Bronchiectasis: Mechanisms and Imaging Clues of Associated Common and Uncommon Diseases.
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Rademacher, J., Welte, T.
Bronchiektasen – Diagnostik und Therapie.
Dtsch Arztebl 2011; 108/48: 809- 816.
Beddy, P., Babar, J., Devaraj, A.
A practical approach to cystic lung disease on HRCT.
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