TH 020

Th 020 (1)
Th 020 (2)
Klinik

40-jähriger Patient. Zunehmende Atemnot.

Falldiskussion
Bildanalyse
Inhomogene Verminderung der Transparenz des Lungenparenchyms durch grobe retikulonoduläre interstitielle Strukturveränderungen unter Bevorzugung der mittleren und oberen Lungenfelder und fokale azinäre Parenchymkonsolidationen perihilär im Unterlappen bds..
Symmetrische polyzyklisch konturierte, vergrösserte und verdichtete Hili bds., leichte Verbreiterung des oberen Mediastinums und weichteildichte Obliteration des subkarinalen Raums im Sinn einer Lymphadenopathie („Garland trias“ und „Doughnut sign“).
Zwerchstand und Form normal. Herz normal gross. Aortenkontur unauffällig. Skelettal keine Auffälligkeit.
 
Differentialdiagnose
Die radiologische Differentialdiagnose einer bihilären Lymphadenopathie umfasst unter anderem
  • Sarkoidose,
  • Tuberkulose,
  • Bronchialkarzinom,
  • Morbus Hodgkin.
  • Non-Hodgkin-Lymphome.
 
Die radiologische Differentialdiagnose einer diffusen Lungenerkrankung mit einem gemischt alveolaren-interstitiellen Muster umfasst unter anderem
  • Bronchioloalveoläres Karzinom,
  • Lymphangiosis neoplastica,
  • Hypersensitive Pneumonitis (exogene allergische Alveolitis),
  • Pneumocystis jirovecii Pneumonie (bes. bei AIDS),
  • Kardiales Lungenödem,
  • ARDS (acute respiratory distress syndrome),
  • Sarkoidose,
  • Tuberkulose,
  • Pneumokoniosen (Silikose),
  • Desquamative interstitielle Pneumonie, nicht spezifische intestitielle Pneumonie,
  • Medikamentös, chemisch  induzierte Lungenerkrankungen (Bleomycin, Cyclophosphamide, Mitomycin; Amiodaron; Goldsalze; Busulfan, Hexamethonium),
  • Atypische Pneumonie (Mycoplasma-, Cytomegalievirus-Pneumonie),
  • Strongyloidiasis,
  • Lungenblutung, rezidivierend oder persistierend (Goodpasture Syndrom, hämorrhagische Diathesen; idiopathische pulmonale Hämosiderose).
Diagnose
Sarkoidose mit hilärer und parenchymatöser Beteiligung (Röntgentyp 2)
 
Topiks
Die Sarkoidose (Synonym: Besnier-Boeck-Schaumann-Krankheit, Morbus Boeck) ist eine  entzündliche Multisystemerkrankung, deren Aetiologie noch unklar ist. Sie ist gekennzeichnet durch Bildung von nichtnekrotisierenden, epitheloidzelligen Granulomen im Bindegewebe der betroffenen Organe mit einer verstärkten Immunreaktion. Bevorzugt betroffen sind Lunge und lymphatisches System, aber auch jedes andere Organ kann in den Krankheitsprozess einbezogen sein. Klinisch manifestiert sich die Sarkoidose im frühen und mittleren Erwachsenenalter (Erkrankungsgipfel liegt zw. dem 20. und 40. Lebensjahre), Frauen sind häufiger betroffen als Männer, Schwarze mehr als andere Rassen. Hohe Krankheitszahlen bestehen in den USA (schwarze Bevölkerung), in Schweden und Island. Raucher erkranken seltener an Sarkoidose als Nichtraucher. In 5% der Fälle tritt die Sarkoidose familiär gehäuft auf. Die Prävalenz in Mitteleuropa beträgt 16 auf 100.000 Einwohner. Die Aussichten auf Heilung sind je nach Ausprägung der Erkrankung und Organbefall sehr unterschiedlich, in der Regel aber gut. Meist ist dieser Entzündungsprozess transient oder selbstlimitierend. Schwere Verläufe resultieren aus der Persistenz einer chronisch aktiven Erkrankung oder der Beteiligung des Herzens, des Nervensystems, der Augen, der Nieren und des Kehlkopfes. Weniger als 5% sterben an einer Sarkoidose durch das Auftreten einer Lungenfibrose mit respiratorischer Insuffizienz, einer kardialen oder neurologischen Mitbeteiligung oder einer pulmonal arteriellen Hypertonie.
Weil sich die Sarkoidose in jedem Organ manifestieren kann, ist die klinische Präsentation sehr variabel. Man unterscheidet eine zunächst akute Verlaufsform (30%) von einer oft schleichend einsetzenden chronischen (70% der Fälle).  Zur Zeit der Diagnose sind 30 – 60% der Patienten asymptomatisch. Da sich die Sarkoidose bei >90% intrathorakal manifestiert, sind Symptome wie unproduktiver Husten, Dyspnoe und thorakale Schmerzen häufig. Eine Hämoptoe tritt in 4% auf. Unspezifische Allgemeinsymptome wie Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiss, chronische Fatigue, Malaise, Muskelschwäche und Anstrengungsintoleranz werden ebenfalls beschrieben.
Bei thorakaler Sarkoidose ist zum Zeitpunkt der Diagnose praktisch immer eine symmetrische, bilaterale Lymphknotenvergrösserung der bronchopulmonalen, tracheo-bronchialen und paratrachealen Lymphknotenstationen vorhanden, ohne (43%) oder mit Befall des Lungenparenchyms (41%). Eine unilaterale mediastinale oder hiläre Lymphadenopathie ist demgegenüber sehr selten (1-3%). Klassische Lungenbefunde der Sarkoidose sind noduläre Granulome in perilymphatischer Verteilung peribronchovaskulär, subpleural und interlobulär, unter Bevorzugung der mittleren und oberen Lungenfelder. Als reversible Lungenparenchymveränderungen gelten Mikro- und Makronoduli, alveoläre Konsolidationen, und Milchglastrübungen. Bei fortschreitender Fibrose werden die Strukturen gröber mit unregelmässigerer Verteilung, verbunden mit einer z.T. erheblichen Volumenminderung der Lunge. Das Endstadium entspricht der unspezifischen Wabenlunge.
 
Entsprechend vielgestaltig kann sich die thorakale Sarkoidose radiologisch präsentieren:
a. intrathorakale Lymphadenopathie
Symmetrischer Befund.
- Lobulierte, vergrösserte und verdichtete Hili mit glatten Konturen, und abgrenzbar gegenüber den Herzkonturen.
- Sog. „Doughnut sign“ durch hiläre und subkarinale Lymphknotenvergrösserungen (auf der seitlichen Thoraxaufnahme).
- Verbreitertes oberes Mediastinum durch paratracheale Lymphknotenvergrösserungen (in der Regel rechts leichter identifizierbar als links).
- Sog. “1-2-3 sign” = Garland Trias durch bihiläre und paratracheale Lymphknotenvergrösserungen
- Fehlende Obliteration des vorderen Mediastinums bei absentem Mitbefall der retrosternalen Lymphknoten.
- Regrediente bis stabile Lymphknotenvergrösserung mit Zunahme der interstitiellen Pneumopathie.
Amorphe, punktförmige, oder eierschalenartige Lymphknotenverkalkungen (20%, meist spät im Verlauf der Krankheit).
 
b. Sarkoidose des Lungenparenchyms
Symmetrischer interstitieller Befall mit nodulären, retikulonodulären oder retikulären Strukturalterationen, diffus unter perihilärer Bevorzugung der oberen und mittleren Lungenfelder mit typischer perilymphatischer Verteilung der Granulome entlang der bronchovaskulären Bündel, subpleural und in den interlobulären Septen. Die Knötchengrösse variiert zwischen 1mm und über 5mm. Beim sog. “Sarcoid cluster sign” ordnen sich multiple nichtkonfluierende Mikronoduli als rundliche Gruppe in der peripheren nichtsubpleuralen Lunge an.
Solitäre oder multiple grosse Knoten (>10mm) mit unscharfen Rändern und möglichen Einschmelzungen.
Milchglasartige Verdichtungen.
Alveoläre/azinäre Konsolidationen, zentral oder peripher.
Irreversible lungenfibrotische Veränderungen mit:
Architekturstörungen, hilifugalen groben unregelmässigen linearen Narbensträngen, verdickten Interlobien, Zysten, Bullae, kompensatorischem Emphysem, Traktionsbronchiektasen, Honigwabenmuster (Endstadiumlunge), parahilären “progressiven massiven Fibrose-artigen” Konglomeraten, Narbenatelektase der Oberlappen mit Kranialverziehung der Hili, Myzetomformationen (bei 10% der Patienten mit Endstadium-Sarkoidose und einer präexistenten Kaverne).
 
c. Pulmonal arterielle Hypertonie, mit oder ohne Lungenfibrose.
Pleuraerguss, fokale pleurale Verdickungen, ein spontaner Pneumothorax, Kavernen, Myzetomformationen, Bronchusstenosen mit lobären/segmentalen Atelektasen sind atypische Manifestationen.
 
Das unterschiedliche Ausmass der pulmonalen Beteiligung wird gemäss konventionellem Thorax-Röntgenbild in fünf radiologische Typen bzw. Stadien (nach Siltzbach und Scadding) eingeteilt:
Röntgentyp 0: Normalbefund mit isolierter extapulmonaler Organmanifestation.
Röntgentyp 1: symmetrische bihiläre Lymphadenopathie (43%) ohne sichtbaren Befall des Lungengewebes.
Röntgentyp 2: bihiläre Lymphadenopathie mit diffusem Lungenbefall (41%).
Röntgentyp 3: Lungenbefall ohne Lymphadenopathie.
Röntgentyp 4: Lungenfibrose mit irreversiblem Lungenfunktionsverlust.
 
Im Verlauf der Erkrankung ist eine Remission sehr häufig. Deshalb hat die röntgenologische Klassifikation prognostische Bedeutung: Röntgentyp 1 und 2 haben die höchste Spontanremissionsrate (2/3 innert 2-5 Jahren). Allerdings kommt auch ein Uebergang in ein höheres Stadium vor mit Regredienz der Lymphknoten und progredienter Alteration des Lungenparenchyms. Entsteht bei insgesamt 10-30% der Patienten eine irreversible Lungenfibrose, so ist beim häufigsten Röntgentyp 1 nur in ca. 8% eine radiologische  Verschlechterung zu erwarten, beim Röntgentyp 2 in 21%, beim Röntgentyp 3 in 37%. Die Wahrscheinlichkeit einer Normalisierung der radiologischen Befunde nimmt vom Typ 1(60%) zum Typ 2 (31%) und Typ 3 (4%) ab.
Die Diagnose Sarkoidose ist dann zu stellen, wenn passende klinische und/oder radiologische Befunde vorliegen, gestützt durch den wegweisenden aber nicht spezifischen histopathologischen Nachweis von nichtverkäsenden Granulomen und zusammen mit der bronchoalveoläre Lavage (CD4/CD8-Zellquotient zugunsten der CD 4-positiven Zellen verschoben) und labortechnischen Untersuchungen (Biomarker wie ACE, Interleukin-2, LDH, Serum-Kalzium, Leukopenie, Lymphopenie) nach Ausschluss anderer granulomatöser Erkrankungen (insbesondere Tuberkulose und maligner Lymphome). Da in den allermeisten Fällen eine Lungen-Beteiligung vorliegt, kommt dem initialen konventionellen Röntgen-Thorax-Bild eine besondere Bedeutung zu. Zur besseren Charakterisierung der Veränderungen wird häufig auch eine thorakale Computertomographie (High resolution CT, HRCT) durchgeführt, insbesondere zur besseren Differenzierung von aktiven inflammatorischen vs. irreversiblen narbigen Veränderungen. Weitere Indikationen zur Durchführung einer HRCT-Untersuchung sind Situationen, in denen aufgrund einer extrapulmonalen Manifestation ein hoher Verdacht auf eine Sarkoidose besteht; bei normalem Röntgenbild können durch das HRCT eventuell pulmonale Veränderungen dokumentiert werden, die allenfalls einer Biopsie zugänglich sind. Weiter kann bei atypischen klinischen oder radiologischen Befunden mittels HRCT nach pathognomonischen Befunden gesucht werden.
 
 
Literatur
 
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