TH 013

TH 013 (1)
TH 013 (2)
Klinik

70-jährige Patientin. Dyspnoe. Kein Fieber.

Falldiskussion

Bildanalyse
Die Thoraxübersichtsaufnahmen in der p.a. und seitlichen Projektion zeigen bilateral zahlreiche, teils scharf begrenzte, teils unscharf abgrenzbare, unregelmässige, rundliche weichteildichte Transparenzminderungen bis zu 6 cm Grösse (“Massen”), inhomogen mit zentralen Kavernen.

Differentialdiagnose
Die radiologische Differentialdiagnose multipler pulmonaler Rundherde, Massen oder Konsolidationen mit Kavernen umfasst unter anderem

Nichtinfektiöse Erkrankungen

  • Maligne Tumorerkrankungen
    • Bronchus Ca (+ Infektion, z.B. mit TBC, Aspergillose)
    • Primäres pulmonales Lymphom oder Kaposi-Sarkom bei HIV-Patienten
    • Lymphomatoide Granulomatose
    • Metastasen (bes. Plattenepithelkarzinome; Adenokarzinome, Urothelkarzinome,      Sarkome)
  • Rheumatologische Erkrankungen
    • Granulomatose mit Polyangitis (Morbus Wegener)
    • Sarkoidose
    • Spondylitis ankylosans (ev. + Infektion)
    • Systemischer Lupus erythematodes (ev. + Infektion)
    • Rheumaknoten
    • Primäre Amyloidose
  • Varia
    • Aseptische Lungenembolien (Infarkte; ev. + Superinfektion)
    • Kryptogen organisierende Pneumonie (COP)
    • Colitis ulcerosa, Morbus Crohn
    • Langerhanszell-Histiozytose

Infektiöse Erkrankungen

  • Nekrotisierende Pneumonien (S. pneumoniae, H. influenzae, S. aureus)
  • Lungenabszesse (K. pneumoniae, Fusobakterium, S. milleri, Prevotella)
  • Septische Embolien (S. aureus, Fusobakterium nekrophorum,  Salmonella)
  • Mykobakterielle Infektionen (M. tuberculosis, nichttuberkulöse Mykobakterien)
  • Pilzinfektionen (Aspergillose, Mukormykose, Histoplasmose, Aktinomykose, Kokzidioidomykose,              Kryptokokkose, Blastomykose, Pneumocystis jiroveci)
  • Parasiten (E. granulosus, E. multilocularis, P. westermani)

Diagnose

Lungenmanifestation bei Granulomatose mit Polyangitis.

Topics

Die Granulomatose mit Polyangitis, früher Morbus Wegener genannt, ist eine primäre, generalisierte, nekrotisierende granulomatöse Vaskulitis kleiner bis mittelgrosser Blutgefässe unbekannter Aetiologie mit

  • klinischen Symptomen v.a. im Bereich der oberen Luftwege (Nasennebenhöhlen, aber auch Larynx und Trachea), der Lunge und der Niere; weitere möglicherweise betroffene Organe sind Gelenke, Muskulatur, die Augen und das Zentralnervensystem.
  • Bildung von Autoantikörpern des Typs c-ANCA (anti-neutrophil cytoplasmatic antibodies, cytoplasmic).

Die Granulomatose mit Polyangiitis ist eine seltene Erkrankung, die etwa 5–7 Menschen pro 100.000 betrifft. Männer erkranken häufiger als Frauen, der Erkrankungsgipfel ist um das 45. Lebensjahr, es können aber auch Kinder erkranken.

Typische radiologische Befunde im Thoraxröntgenbild sind:

  • multiple, annähernd kugelförmige, in der Lunge gelegene Verdichtungsbezirke mit bronchovaskulärer Verteilung ohne zonale Prädominanz, einem variablen Durchmesser von wenigen Millimetern bis vielen Zentimetern, wohlbegrenzt oder unscharf und unregelmässig konturiert, die oft, rasch und unabhängig von ihrer Grösse zentral einschmelzen mit Ausbildung von dickwandigen Kavernen mit irregulärer Binnenstruktur;
  • periphere keilförmige alveoläre Konsolidationen (Infarkte, Hämorrhagien), die ebenfalls einschmelzen können;
  • basal betonte interstitielle retikulonoduläre Veränderungen (oft als Erstmanifestation bei klinisch asymptomatischen Patienten);
  • perihilär und basal betonte milchglasartige Trübung oder azinäre Transparenz-minderungen bei diffusen pulmonalen Hämorrhagien; auch Rundherde und Konsolidationen können von Hämorrhagien umgeben sein;
  • diffuse oder noduläre Wandverdickung und Ulzerationen der Trachea und Bronchien durch muköse/submuköse Granulome, mit oder ohne Stenosen. Konsekutiv können Belüftungsstörungen oder Atelektasen und Pneumonien entstehen;
  • In <10% treten Pleuraergüsse auf (v.a. bei Herz- oder Nierenmitbeteiligung), eine Lymphadenopathie ist hingegen sehr selten.

Rezidive können mit zum Initialbefund identen oder unterschiedlichen radiologischen Befunden auftreten. Keine Form der pulmonalen Manifestation allein hat einen pathognomonischen Wert, sondern ist nur in Verbindung mit der Histologie und Klinik zu verwerten. Für die Interpretation der radiologischen Befunde sind daher Kenntnisse des oft mehrphasigen Krankheitsverlaufes und der klinischen Erscheinungsbilder der Lungenmanifestationen hilfreich. Neben der Bestimmung der Krankheitsausdehnung steht die Festlegung der Krankheitsaktivität im Vordergrund der bildgebenden Diagnostik.

Die CT-Untersuchung oder High-Resolution CT der Lunge (HRCT) ergibt bei mehr als der Hälfte der untersuchten Patienten Zusatzbefunde zu den Ergebnissen der Thoraxübersichtsaufnahme. So werden vor allem kleine pulmonale Rundherde, verdickte Interlobuärsepten, Parenchym- und Pleuranarben, milchglasartige Trübungen, Traktionsbronchiektasen und kleine Zysten besser mit der CT detektiert. Auch eine Höhlenbildung ist oft besser mit der Computertomographie zu beurteilen. Der Nachweis akuter entzündlicher Läsionen, einer Granulomrückbildung unter Chemotherapie oder chronischer fibrotischer Veränderungen zeigen eine gute Korrelation zur klinischen Aktivität, so dass die CT sehr gut zum Therapiemonitoring herangezogen werden kann.

Literatur
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Gadkowski, L.B., J.E.Stout. Cavitary pulmonary disease. Clin Microbiol Rev. 2008; 21 (2): 305-333.
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Schnabel, A., W.L.Gross. Pulmonale Vaskulitis: Lungenbeteiligung bei systemischen Gefässentzündungen. Pneumologie 2000; 54: 232-242.

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