63-jähriger Patient. Rasch grössenzunehmende, schmerzhafte Schwellung am Kopf parasagittal und parietal bds.
(Röntgenaufnahme 1970-er Jahre, schlechte Qualität)
Bildanalyse
Grossflächige schlecht abgrenzbare permeativ destruierende Läsion der Schädelkalotte parietal bds. mit extrakranieller extraossärer Weichteilausdehnung und unterbrochener periostaler Reaktion in Form von divergierenden Spiculae (= “sunburst” appearance).
Differentialdiagnose
Die radiologische Differentialdiagnose unterbrochener periostaler Reaktionen bei solitärer fokaler Knochenläsion umfasst unter anderem
- Tumoröse Prozesse
- Osteosarkom
- Chondrosarkom
- Ewing-Sarkom
- Maligne fibröse Histiozytome
- Leukaemie und maligne Lymphome
- Metastasen
- Plasmozytom
- Chondroblastoma
- Eosinophiles Granulom (im frühen Kindesalter)
- Hämangiom
- Invasives Meningiom
- Infektiöse Prozesse
- Akute Osteomyelitis
- infektöse Mitbeteiligung des Periosts bei TBC, Lues, Aktinomykose, Lepra, Typhus, Myzetom, Ulcus tropicum
- (Subperiostales Hämatom)
Diagnose
Unterbrochene divergierende spikuläre “sunburst”-artige Periostreaktion bei Schädelkalottenmetastasierung.
(Erst die im Rahmen der Differentialdiagnostik durchgeführte weitere Abklärung ergab als Primärtumor ein Nierenzellkarzinom).
Topics
Unter periostaler Reaktion versteht man eine vom Periost ausgehende Knochenneubildung mit Aufweitung der Knochenkontur. Periostreaktionen sind unspezifische histologische und radiologische Reaktionsmuster des Periosts als Antwort auf einen länger verlaufenden Reiz (z.B. durch eine Periostabhebung, eine passive Hyperämie, ein Oedem, eine Kortikalisdestruktion, eine chemische Periost-Aktivierung oder eine Aenderung der mechanischen Belastungssituation). Periostale Reaktionen können Folge von Traumen, entzündlichen Prozessen, Tumoren, Perfusionsstörungen, lokaler Hypoxie und Stoffwechselstörungen sein. Differentialdiagnostisch sind physiologische Periostappositionen und auch die insgesamt seltenen primären Periosterkrankungen zu berücksichtigen.
Periostreaktionen (Abb. 1) lassen sich einteilen in
Nicht unterbrochene = Kontinuierliche Periostreaktionen (meistens bei einem langsamem bis mittelschnell ablaufenden Knochenprozess)
- mit Kompaktaauflösung (die fast ausschließlich bei expansiven Knochentumoren mit geringer bis mittlerer Wachstumsgeschwindigkeit auftreten) Periostschale
- lobulierte Periostschale
- septierte Periostschale
- ohne Kompaktaauflösung oder mit noch teilweisem Erhalt der Kompakta
- solide Periostreaktion
- Einzellamelle
- Lamelläre Reaktion („zwiebelschalen“-artig)
- Parallel spikuläre Reaktion (Bürstensaum: „hair on end“-artig; nicht zu verwechseln mit dem „Hair-on-end“ Sign am Schädel mit Expansion der Diploe, Verdünnung der Tabula externa und vertikaler Trabekulation, u.a. bei chron. Eisenmangel-Anaemie, Thalssaemia major, Sichelzell-Anaemie, Spherocytose, Polycythaemie, Hämangiom oder Nierenzellkarzinom mit erhöhter Erythopoese)
Unterbrochene Periostreaktionen (zeigen in der Mehrzahl der Fälle einen hochaggressiven Knochenprozess an; mit oder ohne radiologisch erhaltene Kompakta)
- Periosterker
- Codman-Dreieck
- Unterbrochene Zwiebelschale
- Unterbrochene parallel spikuläre Reaktion
- Divergierend spikulär („sunburst“-artig)
Komplexe Periostreaktionen (Kombination der genannten Reaktionsformen: zeigen in der Mehrzahl der Fälle einen hochaggressiven Knochenprozess an)
Die Morphologie einer periostalen Reaktion lässt Rückschlüsse auf die biologische Aktivität, der Wachstumsgeschwindigkeit, Intensität und Dauer des zugrundeliegenden pathologischen Prozesses zu (Abb. 2). Da bei Kindern das Periost aktiver und an der Kortikalis weniger adherent ist als bei Erwachsenen, treten periostale Reaktionen bei Kindern oft früher und aggressiver auf. Die Klassifikation der periostalen Reaktionen ist weder sensitiv noch spezifisch und erlaubt keine Dignitätsbeurteilung. Sie dient der Einschätzung, ob eine solitäre, fokale Knochenläsion auf einem konventionellen Röntgenbild als nicht-aggressiv oder aggressiv einzustufen ist. Periostreaktionen können die ersten auf dem Röntgenbild sichtbaren Veränderungen eines sehr aggressiv verlaufenden intraossären Tumors oder einer Entzündung sein.
In höheren Lebensaltern sind bei einer neu entdeckten Knochenläsion die Metastase eines unbekanten Primärtumors oder ein Plasmocytom (multiples Myelom) die wahrscheinlichste Diagnose. 9% aller Skelettmetastasen lassen sich in der Schädelkalotte bei medullärem, kortikalen oder periostalen Tumorbefall nachweisen. Da unterbrochene spikuläre Formen der Periostreaktion i.a. nur bei einem ausgedehnten extraossären Tumorwachstum zu finden sind, bes. beim Osteosarkom, und eine extraossäre Weichteilkomponente bei Skelettmetastasen, ausser bei Rippenmetastasen selten sind, sind spikuläre Periostrektionen metastatischer Aetiologie ungewöhnlich (beobachtet u.a. beim Bronchus-, Mamma-, Schilddrüsen-, Nebennierenkarzinom, Adenokarzinom des Gastrointestinaltraktes, Neuroblastom, und Retinoblastom). Eine besondere Prävalenz bezogen auf „sunburst“-artige Periostreaktionen zeigen osteoplastische Metastasen beim Prostatakarzinom.
Literatur
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