Gratiolet, Louis Pierre (1815-1865)

Porträt von Pierre Gratiolet im klassischen Bleistiftstil mit dunklem Hintergrund, detaillierter Schraffur und würdevoller Ausstrahlung.

Louis Pierre Gratiolet (1815–1865) war ein französischer Neuroanatom und Anthropologe, der durch seine Arbeiten zur funktionellen Gliederung des Gehirns und zur Sehbahn bekannt wurde. Die nach ihm benannte Radiatio optica – auch Gratiolet-Sehenkreuz genannt – bezeichnet die Faserausbreitung der Sehstrahlung vom Thalamus zur Sehrinde.

Biografische Daten
Gratiolet wurde 1815 in Sainte-Foy-la-Grande (Frankreich) geboren. Er studierte Medizin in Paris und war Schüler von Isidore Geoffroy Saint-Hilaire. Später wurde er Professor für vergleichende Anatomie am Muséum national d’histoire naturelle in Paris. Neben seinen anatomischen Studien engagierte er sich in der Anthropologie und Hirnforschung. Er starb 1865.

Wissenschaftliche Leistungen
Gratiolet erforschte insbesondere die Faserverbindungen zwischen dem Corpus geniculatum laterale und dem Okzipitallappen. Seine Beschreibung der Radiatio optica als fächerförmige Projektion zur Sehrinde (Area striata) war ein früher Beitrag zur funktionellen Topografie des Gehirns. Das nach ihm benannte Gratiolet-Sehenkreuz beschreibt die typische Kreuzung und Fächerung dieser Nervenfasern. Er war zudem einer der ersten, der eine funktionelle Gliederung der Grosshirnrinde vorschlug – eine Vorwegnahme moderner Kortexmodelle.

Bedeutung in der Anatomie und Radiologie
In der radiologischen Diagnostik, insbesondere in der Neuroradiologie, ist die Radiatio optica ein zentrales Element bei der MRT-Darstellung der Sehbahn. Läsionen in diesem Bereich – etwa durch Schlaganfall, Tumoren oder MS – führen zu charakteristischen Gesichtsfeldausfällen. Die Traktografie mittels DTI (Diffusions-Tensor-Bildgebung) ermöglicht heute eine bildliche Rekonstruktion der von Gratiolet beschriebenen Fasern. Seine Arbeiten sind somit bis heute klinisch relevant.

Quellen und Literatur
Gratiolet LP. De la physiologie du système nerveux. Paris, 1854.
Duvernoy HM. The Human Brain: Surface, Blood Supply and Three-Dimensional Sectional Anatomy. Springer, 1999.
Standring S (Hrsg). Gray’s Anatomy: The Anatomical Basis of Clinical Practice. Elsevier, 2021.
Toga AW, Mazziotta JC. Brain Mapping: The Methods. Academic Press, 2002.

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